Montag, 27. Juli 2009
Geräuschlos durch den Iserdiek
Die Wasserstadt Fürstenberg schafft sich immer mehr Zugänge zum Wasser. Wo gestern noch wildes Gestrüpp war, können Fürstenberger und Gäste heute promenieren. Michael Wittke stellt in loser Folge die schönsten Stadt-Wasser-Wege vor. FÜRSTENBERG Was im Frühjahr noch für Aufregung sorgte, ist im Sommer Wirklichkeit: Der Iserdiek in Fürstenberg ist wieder frei. Ein umgestürzter Baum hatte die Passage hinterm Schloss lange blockiert. Wer jetzt durch den Fisch-Kanu-Pass havelabwärts fährt, hat auf der Höhe des erst im Herbst 2008 angelegten Wasserwanderrastplatzes die Wahl: links abbiegen oder geradeaus weiterfahren. Der Linksschwenk ist fast ohne Einschränkung zu empfehlen. An gepflegten Gartengrundstücken zieht der Kanufahrer geräuschlos vorbei und genießt Spreewald-Ambiente an der Havel.Nach einer Weile sitzt man allerdings vor einem Wasserrohr, das bei der Brücke „Unter den Linden“ den Kopf einzuziehen zwingt. Die Verlegung dieses Hindernisses ist fällig, denn man soll sich ja bei uns auch auf dem Wasser sicher fühlen. An der zweiten Brücke beim Gasthof „Zur Linde“ sind die Rohrleitungen schon verlegt worden. Das kostet etwa zehntausend Euro. Nun hat Fürstenberg ja gerade die Hälfte davon als Preis gewonnen – im Wettbewerb um die gelungenste Innenstadtsanierung. Auch sonst wäre es sicher gut angelegtes Geld, denn mit dem Iserdiek ist die Rundtour auf den innerstädtischen Wasserwegen wie in Klein-Venedig gleichsam verdoppelt.Auch dieser Havellauf mündet in den Schwedtsee. Im Stadtpark ist es sehr einfach, aus dem Kanu auszusteigen. Vielleicht sollten jedoch Schilder dazu einladen, sonst hielte der Wasserwanderer den Uferrasen womöglich noch für eine geschützte Grünanlage und führe einfach weiter. Häufiger als „Anlegen erlaubt“ sieht man in Fürstenberg ja immer noch „Betreten verboten“.Die „Kanu-Rutsche“ unterm Haus hindurch ist ein Soft-Abenteuer, das sich unter Naturtourismusfreunden langsam herumspricht. Die Betonung liegt auf langsam. Auch hier erscheint eine stärkere Bewerbung dieser Errungenschaft sinnvoll. Denn die Tour ist ein großes Plus für die Wasserstadt. Zwar steht einem auf dem Wasser in Fürstenberg die ganze Welt offen, aber nicht selten ist eher die überschaubare Runde hochwillkommen. Seit Herbst 2008 ist man in einer Stunde „rum“: Gute Startpunkte sind im Bereich der Schliemannstraße das „Haus an der Havel“ und der Bootsverleih Gaumert; auf der anderen Seite, in der Brandenburger Straße die „Nordlicht Kanustation“ und die „Alte Reederei“. Von der Gänsehavel geht es durch den Fisch-Kanu-Pass, dann über Iserdiek oder Priester- und Schulhavel in den Schwedtsee, dann quer über den Baalensee zur Schleuse und danach zurück zum Startpunkt. Gleich hinter dem Wehr begrünt sich langsam der zentrale Wasserwanderrastplatz der Stadt. Wer mit Sack und Pack in die Wasserstadt kommt, ist eingeladen hier anzuhalten, sich die Beine zu vertreten und dem Ort einen Besuch abzustatten, und sei es nur, um einzukaufen. Wer den Wasserwanderrastplatz passiert, muss allerdings ebenfalls vorbereitet sein. Nur ein Schild ist vom Wasser aus deutlich sichtbar, es weist auf eine Toilette hin. Auf den Marktplatz kann man zwar wegen der Kirchturmspitze schließen, aber die greifbar nahen, doch für den Paddler unsichtbaren Einzelhändler täten wahrscheinlich gut daran, einen Hinweis auch auf ihre Existenz zu beantragen. Informationstafeln, die man erst lesen kann, wenn man schon ausgestiegen ist, greifen zu kurz.Man darf hier sogar zelten, doch das geschieht nur selten; was verständlich erscheint und vielleicht sogar wünschenswert, ist doch der „richtige“ Campingplatz am Röblinsee nah gelegen. Weshalb dieser grüne Ort aber auch sonst bisher meist verwaist daliegt, obwohl die Terrassierung, Bänke und sogar ein Lagerfeuerplatz auch vom Land aus zum Verweilen einladen, bleibt unerklärlich. Denn es ist einfach schön, unbehelligt von der B 96 und doch mitten im Zentrum auf die sanft fließende Havel zu schauen, gedankenverloren oder ins Gespräch vertieft. Vielleicht muss sich die Existenz dieser Einrichtung auch in der Stadt selbst noch weiter herumsprechen.Das „Herumsprechen“ braucht Helfer und kann dauern, wie das Beispiel der Kanu-Rutsche zeigt: Immer noch gibt es Fürstenberger, die staunen, wenn jemand stromaufwärts fährt. „Kommt man denn die Kanurutsche wieder hinauf?“ wird der Paddler gefragt. „Ganz einfach und bequem sogar“, kann man dann rufen, denn neben der Rutsche ist ein Treidelweg. Man steigt aus und zieht sein Fahrzeug über die großen Borsten der Rutsche nach oben. Etwas unbequem ist mittendrin der Mauerstumpf, den die Wasserbauingenieure für erforderlich hielten. Er zwingt zumindest den Einzelfahrer zu einer mäßigen Körperertüchtigung. Aber das kann Freizeitsportler nicht erschüttern, man wächst an den Aufgaben.
Der hegensteinbach in Fürstenberg ist ein echter Geheimtipp
Die Wasserstadt Fürstenberg schafft sich immer mehr Zugänge zum Wasser. Wo gestern noch wildes Gestrüpp war, können Fürstenberger und Gäste heute promenieren und wandern. Michael Wittke stellt in loser Folge die schönsten Stadt-Wasser-Wege vor. FÜRSTENBERG Wir sind wieder mit dem Kanu unterwegs, auf der neuen Altstadt-Route. Gänsehavel, Kanurutsche, Wasserwanderrastplatz und dann links abgebogen in den Iserdiek – das ist der Havellauf, der das Schloss umspült. Er mündet in den Schwedtsee direkt beim Restaurant „Am Yachthafen“. Danach durchquert man die Stadtparkbucht und hat die Wahl, entweder gleich rechts weiter übern See zu fahren oder zuvor einen Abstecher zu machen in ein weiteres Idyll der Wasserstadt, den Hegensteinbach. Das wollen wir hier nachdrücklich empfehlen.Der Hegensteinbach ist bisher ein echter Geheimtipp. Einen knappen Kilometer weit, bis zur Eisenbahnbrücke, über die heute die Draisine fährt, dürfen Wasserwanderer den Hegensteinbach befahren. Von dort an steht das Gebiet unter Naturschutz (eines der ältesten in Deutschland) und man muss umkehren – oder zu Fuß weitergehen, was auch ein Erlebnis ist. Ab der Brücke an der ehemaligen alten Gärtnerei beginnt ein Wanderweg, der entlang des Baches führt, bis der in den Thymensee fließt. Von dort können Wanderer in Richtung Fürstenberg zurückgehen oder einen Abstecher zum Paulssee machen, einem kleinen, sehr idyllischen Waldsee. Man muss Kenner der Örtlichkeit sein, um auf dem Schwedtsee die Mündung des Hegensteinbachs zu finden, westlich der Basis von „Locaboat“. Dessen Wettbewerber „Cardinal Cruising“ vom Röblinsee hat die Truppe inzwischen aufgekauft. Nun gibt es nur noch einen großen Anbieter in Fürstenberg, der europaweit Stationen unterhält. Zwei Schiffstypen sind für den Konzern unterwegs: die Penichette, deren Gestalt den Habitus französischer Lastkähne nachempfindet. Und der Europa-Typ der Engländer mit der Anmutung einer schnittigen Mittelmeer-Yacht. Für Liebhaber des mecklenburgisch-brandenburgischen Seenlandes also eher gewöhnungsbedürftig, gleichwohl im Geschmack der Zeit. Wer Locaboat rechts liegen lässt und durch die Schneise im Seerosenfeld linkerhand paddelt, kommt an den letzen Bootsschuppen vorbei und liegt vor der Mündung des Hegensteinbachs. Das Gewässer bietet ein Ambiente wie im Spreewald und ist recht stattlich für einen Bach. Es mäandert sich durch den Erlenbruch, einen Auwald, der nur auf einer Seite besiedelt und deshalb von Gärten begrenzt ist. An der Gartengestaltung kann man im Seenland zuverlässig abschätzen, wie die Bewohner solcher Grundstücke zum Wasser stehen und wie sie ihren Garten nutzen. Die Zahl derjenigen, die daraus ein Schmuckstück machen und es im Sommer nutzen wie sonst nur ihr Wohnzimmer, nimmt zu. Ein paar sind aber auch noch dabei, die glauben, wo Wasser ist, sei die Rückseite, und „hinten“ könne man ablagern, was man aus den Augen haben wolle. Manche verbarrikadieren sich auch zum Wasser hin wie einst Robinson gegen die unbekannten Wilden. Aber immer mehr bemerken und korrigieren diesen Irrtum.Bis zur Straßenbrücke Lychener Chaussee ist die Passage störungsfrei, unter der Brücke bietet die Strömung Gelegenheit für eine kleine sportliche Einlage. Zurzeit ist unser Wasser außergewöhnlich klar, fast wie im Peetschsee bei Steinförde. Im Kanu hat man den Eindruck, auf einem Aquarium zu schwimmen. Beim Thema Fische unterscheidet sich die Menschheit bekanntlich in Angler und den Rest der Welt. Angler sind Naturfreunde mit ganz speziellem Blick: mit dem des Jägers, dem eine zweckfreie Naturbeobachtung meist nicht nahe liegt. Und so stehen auch im Hegensteinbach Angelfreunde im Kahn, werfen ihre „Senke“ aus und fangen damit „Stecker“. Das sind Fische, die nicht Ziel, sondern Ausgangspunkt der Sportangelei sind, kleinwüchsige Köder, die auf den Haken gespießt werden, damit sich Größeres an ihm verschluckt – selbstverständlich zuvor vom lizensierten Raubfischangler waidgerecht erlegt.Der Hegensteinbach ist wohl Heimat zahlreicher Angelfreunde, darauf deuten die Jagdfahrzeuge am Ufer hin. Bachaufwärts passiert man nämlich zwei Dutzend unförmige Plasteschüsseln, Kähne vom Typ „Anka“, unverwüstliche Behälter, die der Kaffenkahn-Skipper Peter Alker scherzhaft als „optische Umweltverschmutzung“ einstuft. Er muss es wissen, denn Peter Alker ist nicht nur Urgestein des Tourismus in Fürstenberg, sondern auch gelernter Bootsbauer mit klarem Blick für Form und Funktion.Er hat unter anderem den bisher einzigen Holz-Havelkahn entworfen, der durch den Fisch-Kanu-Pass passt, die „Josephine“ im Verleih der „Alten Reederei“. Dieser Kahn passt optisch perfekt zum Ambiente des Hegensteinbachs und ist ein Fotomotiv wie vor hundert Jahren. Aber das interessiert vielleicht den zweckfrei beobachtenden Naturfreund, bleibt jedoch für den Jäger ohne praktischen Belang.Wie schön, dass das Seenland Platz für beide Sorten Wasserfreunde hat. Wir jedenfalls fahren mit unserem Plastik-Kanu fröhlich fischlos weiter und freuen uns auf die nächsten Impressionen in der Wasserstadt
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