Offenbar ist die Vorstellung „Fürstenberg will alle Verkehrszeichen und Ampeln abbauen“ klangvoll genug, dass sich ein reges mediales Interesse dafür entwickelt, was das Konzept Shared Space für die Stadt bedeuten könnte.
Gestern gab es dazu einen Artikel in der Berliner Zeitung von Karin Bischoff ( anbei ) und heute 18.30 Uhr wird es dazu einen Beitrag im RBB geben – vielleicht haben Sie ja Lust, da mal reinbeizuschauen.
FÜRSTENBERG/HAVEL. Fürstenberg an der Havel hat auch den schönen Beinamen Wasserstadt. Böse Zungen lästern, der Name sei nur verliehen worden, weil man nur noch über die Wasserwege durch die Oberhavel-Stadt gelangt. Denn über die Bundesstraße 96, die durch den Ort führt, quälen sich an manchen Tagen bis zu 25 000 Fahrzeuge. Unfälle sind so programmiert. Die Stadt soll eine Ortsumfahrung erhalten. Da aber bisher niemand weiß, wann das geschieht, glänzt sie nun mit einer Idee: Keine Ampeln soll es in Fürstenberg mehr geben, Verkehrsschilder werden abgebaut, Fahrbahnmarkierungen gibt es nicht mehr. Fußgänger sind Auto- und Fahrradfahrern gleichgestellt. Das Konzept heißt "Shared Space", ist ein EU-gefördertes Projekt und heißt so viel wie geteilter Raum. Verkehrsregeln werden durch soziale Regeln ersetzt.
"Warum soll so etwas, dass in Holland und Dänemark gut funktioniert, bei uns nicht klappen", sagt Michael Wittke von der Interessengemeinschaft "Verträglicher Verkehr in Fürstenberg". Selbst in Deutschland werde "Shared Space" bereits erprobt. Die Kleinstadt Bohmte in Niedersachsen will bis zum nächsten Jahr als erste deutsche Stadt schilderfrei sein. Dann gibt es dort Kreisverkehre, die den Autoverkehr fließender machen. Rad- und Gehwege unterscheiden sich nur farblich von der Straße. Es gibt keine Bordsteine mehr, rechts vor links ist ein Muss, Man wird vorsichtiger, weil man verunsichert ist. Blickkontakte sind notwendig. Das ist das Ziel der in Holland entwickelten Methode. Die Zahl der Unfälle ging dort zurück.
Ortsumgehung in zehn Jahren
Fürstenbergs parteiloser Bürgermeister Robert Philipp hat bereits im Potsdamer Verkehrsministerium eine Machbarkeitsstudie für "Shared Space" beantragt. Damit soll signalisiert werden, dass seine Stadt für ein Pilotprojekt in Brandenburg zur Verfügung stehe. "Aber da wir als Durchgangsstraße eine Bundesstraße haben, wird es wohl schwer, damit durchzukommen", sagt Bürgermeister Philipp.
Verkehrsminister Reinhold Dellmann (SPD) habe schon deutlich gemacht, wo "Shared Space" nicht geht: Bei kräftigem Schwerlastverkehr, der sich dazu noch auf einer Bundesstraße bewegt. Genau das ist in Fürstenberg der Fall. Zumindest aber gerate das Verkehrsproblem der Wasserstadt durch den Antrag nicht in Vergessenheit. Fürstenberg will anerkannter Erholungsort werden, das hohe Verkehrsaufkommen hat den Titel bisher bisher verhindert. "Die Ortsumgehung kommt frühestens in zehn Jahren", sagt Michael Wittke. Warum sollte Fürstenberg nicht in der Zeit danach ohne jegliche Verkehrsschilder auskommen?
Fürstenberg ist nicht die einzige Stadt in Brandenburg, die sich für eine City ohne Verkehrsschilder einsetzt. So soll Ludwigsfelde bereits beim Ministerium nachgefragt haben, auch Potsdam prüft gerade, welche Straße für "Shared Space" genutzt werden kann. "Die Stadtverordnetenversammlung hat den Oberbürgermeister mit der Prüfung beauftragt. Die soll bis Ende des Jahres abgeschlossen sein", sagt Christian Seidel (SPD), der Vorsitzende des Bauausschusses der Landeshauptstadt.
61 Prozent weniger Unfälle
Seidel ist überzeugt, dass "Shared Space" nicht nur im Dorf, sondern auch in einer Großstadt funktioniert. In London habe man das beispielsweise bewiesen. Dort sei die vierspurige Kensington Street, durch die stündlich 2 200 Fahrzeuge rollten, von Fahrbahnmarkierungen, Ampeln, Fußgängerüberwegen und Schildern befreit worden. Das Ergebnis sei fast nicht zu glauben, sagt Seidel. So würden die Einkaufsstraße nun sowohl mehr Fußgänger als auch mehr Autos passieren, weil der Verkehr zwar langsamer aber dafür ohne Ampeln besser fließt. Die Unfallzahl auf der Kensington Street ging um 61 Prozent zurück. Christian Seidel sagt, er könne sich gut vorstellen, dass in Potsdam zunächst die Friedrich-Ebert-Straße nach dem "Shared Space"-Vorbild umbaut wird.
Das Brandenburger Verkehrsministerium steht "Shared Space" positiv gegenüber. "Wenn es Initiativen von Kommunen dazu gibt, werden wir sie begleiten und beraten", sagt Lothar Wiegand, der Sprecher der Behörde.
Berliner Zeitung, 06.09.2007
Freitag, 7. September 2007
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