Mit Shared Space voll im Trend
Immerhin zu viert hatte sich die kleine Delegation am vergangenen Dienstag unter die mehr als 80 niedersächsischen Gemeindevertreter gemischt, die sich in Bohmte auf Einladung der Akademie Ländlicher Raum versammelt hatten. Es ging um Shared Space, dem Verkehrskonzept, das Menschen im Verkehr den gleichen Rang sichern will, egal, ob sie sich selbst bewegen oder in einer tonnenschweren Stahlkarosse thronen.
Die Vorsitzende des Fürstenberger Gewerbevereins, Ingrid Haase, das Vorstandsmitglied des Tourismusvereins, Thomas Schonig, der Sprecher, Bauamtsleiter Heiko Körner und der Sprecher der Interessengemeinschaft „Verträglicher Verkehr“, Michael Wittke waren in die Kleinstadt nördlich von Osnabrück gereist, um dort Informationen aus erster Hand zu erhalten, wo die erste Straße in Deutschland nach den Grundsätzen des Holländers Hans Mondermann umgebaut wird. Direkt vor dem Tagungsort arbeiten schon die Bagger; für Juni 2008 haben die Veranstalter zu einer Art Bauabnahme eingeladen.
Auf den Punkt gebracht, lässt sich resümieren: 1. Shared Space funktioniert längst in vielen Städten Europas, 2. die Bauarbeiten in Bohmte haben begonnen und die Finanzierung steht, 3. es ist ein städtebaulicher Kraftakt, sich darauf einzulassen. Dem Bürgermeister von Bohmte, Klaus Goedejohann, wurde während der Tagung immer wieder größter Respekt gezollt für seine Kommunikations- und Entscheidungsstärke. Radio und Fernsehen interviewten den mutigen Mann, der weiß, was er will und bereit ist, persönlich Verantwortung zu übernehmen. Offenbar braucht man diese Eigenschaften, um in Deutschland Shared Space umzusetzen.
Denn mit dem Abschrauben von Schildern ist es nicht getan. In Bohmte geht es letztlich um den Umbau des ganzen zentralen Stadtraumes. Sogar Abwasserrohre werden hier neu verlegt und eine Umgehungsstraße neu angebunden. Das alles ist Ergebnis eines dreijährigen, intensiven Planungsprozesses von Bürgern, Experten und Verwaltung und einer entsprechend aufwändigen Kommunikation. Kein Wunder, dass in Bohmte am Ende etwa 2,3 Millionen Euro auf dem Kassenzettel stehen. Eine Million davon schultert die Stadt selbst.
Aber es muss ja nicht gleich ein ganzer Stadtumbau sein. Und auch in London blieb es bei der Umgestaltung der Verkehrsräume. Es geht also vielleicht auch billiger. Denn Shared Space ist beileibe keine Patentlösung für alle Fälle. Bei welchen Verkehrsbelastungen funktioniert das Konzept? Wie viel Schwerlastverkehr verträgt es und wie hoch darf der Anteil des Durchgangsverkehrs sein? Diese Fragen lassen sich nur konkret beantworten und am Ende auch erst aus der Erfahrung. In Bohmte werden nach Abschluss der Bauarbeiten im Juni nächsten Jahres immer noch 12.000 Kraftfahrzeuge durch das Ortszentrum fahren, mehr als 1000 Lastwagen sind darunter. 40 Prozent sind reiner Durchgangsverkehr. Klaus Goedejohann ließ jedenfalls keinen Zweifel daran aufkommen, dass er mit Shared Space auch manchem Mautflüchtling den Spaß an der Stadtdurchfahrt verderben und ihn wieder auf die Hauptverkehrsstraßen in der Umgebung zurückschicken will.
Was aber, wenn es keine anderen Straßen gibt, über die man Lastwagen schicken könnte? Die Fürstenberger Delegation sah sich am Dienstag in ihrer Haltung bestärkt, dass der durchfahrende Schwerlastverkehr aus ihrer Innenstadt verschwinden muss. Man diskutiert „Shared Space“ für die Zeit nach der Verlagerung der B 96, wohin auch immer. Kalkül ist es, dass durch die „Shared Space“-Debatte letztlich eine Umfahrung wahrscheinlicher wird.
Die Tagung in Bohmte bot Fürstenberg Informationen aus erster Hand, neue Kontakte und Einblicke in einen spannenden Prozess der Stadtentwicklung. Vieles spricht für Shared Space, aber manches nährt Zweifel: Die Million Euro Eigenmittel der Stadt Bohmte zum Beispiel, und eine asymmetrische Vertragslage mit Kreis und Land, auf die sich die Kleinstadt einlassen musste. Und dabei fehlt natürlich die letzte Gewissheit, ob alles funktionieren wird, wie erhofft. Das wird übers Jahr die Praxis zeigen.
Viele Fragen, mit denen die vier Fürstenberger angereist waren, konnten beantwortet werden. Was offen geblieben ist oder vertieft werden muss, kann weiter bearbeitet werden. Am 25. Oktober könnte Hans Mondermann in Fürstenberg vortragen, hat Michael Wittke im Gespräch mit dem Verkehrsplaner bereits sondiert. Weil dieser tagsdarauf bereits in Berlin vortragen wird, dürfte der Aufwand zu schultern sein. Sicher eine gute Gelegenheit, die Debatte in Fürstenberg zu verbreitern. Shared Space liegt im Trend; damit hätte Fürstenberg in Brandenburg die Nase vorn.
„Es gibt keinen Grund zur Euphorie,“ meint Michael Wittke, der glaubt, dass Fürstenberg manches nicht leisten könnte, was in Bohmte möglich war. „Doch wir sollten nicht die Flinte ins Korn werfen, nur weil es regnet, sondern unser Pulver trocken halten. Denn was sollte verkehrt sein an einer Machbarkeitsstudie auch für Fürstenberg?“ Eine solche Untersuchung will das Verkehrsministerium in Auftrag geben. Noch in diesem Jahr soll entschieden werden, welche Städte betrachtet werden. „Fürstenberg sollte dabei sein. Das wird der Stadt auch dabei helfen, ihr Verkehrsproblem zu erklären und Lösungen einzufordern“, meinte der Sprecher der IG „Verträglicher Verkehr im Fürstenberger Seenland“.
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